Wertorientierte Kundenanalyse und Financial Supply Chain.
von Arnfried Mehne 26.08.2024
Eine Kundenanalyse lässt sich grundsätzlich in zwei Bereiche aufteilen (vgl. Arndt 2008, S. 149ff.):
1. Kundenverhaltensanalyse:
Basierend auf historischen Daten ist es Ziel, neue, bislang unbekannte (Verhaltens-)Muster zu entdecken. Üblicherweise werden hierzu Methoden aus dem Bereich Data Mining herangezogen. Typische Themen in einer KUndenverhaltensanalyse sind:
- Kaufverhalten: Welche Muster lassen sich im Abschluss von Versicherungsprodukten erkennen? Gibt es einen Zusammenhang zwischen vielen Abschlüssen und Anteilen der vorzeitigen Kündigungen?
- Zufriedenheitsverhalten: Wie ist es um die Zufriedenheit meiner profitablen Kundengruppen bestellt? Ist z.B. der weit verbreitete Net Promoter Score® für das eigene Unternehmen überhaupt geeignet? Wo müsste die NPS-Mechanik überarbeitet werden?
- Loyalitätsverhalten: Wer kann wirklich als loyaler Kunde betrachtet werden? Wie wirkt sich dies auf den ökonomischer Erfolg des Unternehmens aus? Welche Segmente schneiden hierbei am besten ab?
- Abwanderungsverhalten: Aus welchen Segmenten wandern besonders viele Kunden ab? Lassen sich (zuverlässige) Vorhersagen zu abwanderungsgefährdeten Kunden aus den Analysen ableiten?
Man könnte auch sagen, dass Kaufverhalten und Abwanderungsverhalten eine Abstimmung von Kunden mit den Füßen repräsentieren: Hier wird faktisch klar, wie sich Kunden verhalten. Bei dem Zufriedenheitsverhalten und Loyalitätsverhalten handelt es sich hingegen um weichere oft nur in Worten oder Befragungen verfügbare Verhaltensäußerungen von Kunden. Gibt es keine Alternativen zum eigenen Produkt, werden sich diese kaum oder sogar gar nicht auswirken. Aber sie sind tatsächlich bedeutsam, weil sie dabei helfen, das faktische Verhalten zu erklären oder nicht. Können sie es erklären, dann kann hier angesetzt werden. Können sie es nicht erklären, dann muss schleunigst der Markt auf Änderungen im Wettbewerb analysiert werden, die bislang nicht gesehen wurden.
2. Kundenwertanalyse: Ziel der Kundenwertanalyse ist es, den ökonomischen Wert eines einzelnen Kunden oder ganzer Kundensegmente für das Unternehmen zu ermitteln.
Hierfür bieten sich beispielsweise folgende Analysen an:
- Kundenprofitabilitätsanalyse: Diese Profitabilitätsanalyse wird üblicherweise in Form einer (gestuften) Deckungsbeitragsrechnung vorgenommen. Im Dienstleistungsbereich ergibt sich jedoch aufgrund der hohen Gemeinkostenanteile die Notwendigkeit, ebenfalls eine Prozesskostenrechnung durchzuführen, um die Kosten je Kunde auch verursachungsgerecht aufteilen zu können.
- Zukunftspotenzialanalyse: Die Zukunftspotenzialanalyse bewertet Kunden aufgrund von quantitativen und qualitativen Größen und versucht darüber zu ermitteln, welchen zukünftigen ökonomischen Wert ein Kunde haben wird. Wegen der starken Vereinfachung der Analyse lassen sich lediglich Schätzwerte erheben, welche ausschließlich auf das zukünftige Umsatzpotenzial fokussieren und somit die Profitabilität als auch das Risiko der Kundenbeziehung nicht berücksichtigen.
Beide Ansätze zusammen bilden ein altes Diktum des deutschen Vaters der Betriebswirtschaftslehre, Eugen Schmalenbach, ab: Für das vergangene gibt der Kaufmann nichts - darum braucht es die Zukunftspotentialanalyse. Allerdings kennt der Kaufmann die Zukunft eben auch nicht: Darum braucht es die auf vergangenen Daten aufbauende Kundenprofitabilitätsanalyse.
verwandte Literatur:
SKIERA, BERND; WIESEL, THORSTEN; PFAFF, DONOVAN Wertorientierte Kundenanalyse innerhalb der Financial Supply Chain”, in: Verein für Credit Management (Hrsg.), “Die Optimierung der Performance im Credit Management”. Heidelberg 2005, S. 117-133, http://www.marketing.uni-frankfurt.de/ fileadmin/ Publikationen/Skiera_Wiesel_Pfaff_VfCM.pdf (Abruf: 21.06.2013).